Mit dem Auto nach Kaliningrad

e-visum für das Kaliningrader Gebiet

 

Seit Juli 2019 ermöglicht es die Russische Föderation, für einen Aufenthalt bis maximal 8 Kalendertagen ein e-visum für Kaliningrad zu beantragen. Alle Informationen dazu finden sich auf der Seite der deutschen Vertretungen in Russland.

 

Der Antrag für das e-visum ist schnell und unbürokratisch auszufüllen. Ein paar Tage nach Antragstellung hatte ich das Visum als PDF zum Ausdrucken in meiner E-Mail. Auch spontan Reisende können die Einreisegenehmigung bis wenige Tage vor der Anreise beantragen. 

 

Einreise nach Kaliningrad mit dem Auto

 

Frohen Mutes brechen wir einige Wochen später über Polen Richtung Kaliningrad auf. Nach einem Zwischenstopp an der polnischen Ostseeküste und in Gdansk reisen wir über die gut ausgebaute - und recht leere - Strasse von Elblag Richtung Kaliningrader Gebiet auf. Es ist ein herrlicher Sommertag, den man nur ungern im Auto verbringt Wir hoffen, bald auf dem Stadtgebiet von Kaliningrad anzukommen.

 

Die Illusion endet an der Grenze. Schon die Ausreise aus Polen dauert über eine Stunde. Die polnischen Grenzbeamten kontrollieren Pässe und Visa genau. Wir nehmen optimistisch an, dass sie uns helfen, Problemen am russischen Grenzübergang vorzubeugen.

 

Wir fahren über die polnische Grenze und fahren zunächst durch eine Schranke, in der eine russische Beamtin farbige Pappstreifen verteilt, deren Bedeutung uns für immer unklar bleiben wird. Dann stellen uns in eine der vier Autowarteschlangen in Richtung Russland.

 

Erst fünf Stunden später reisen wir auf das russische Gebiet ein.

 

Warten, Warten, Warten

 

Sobald wir uns in die Warteschlange eingereiht haben, überfallen uns Zweifel, ob wir richtig anstehen. Permanent fahren polnische Autos an uns vorbei in die Abfertigungshallen. Für uns geht es keinen Meter vorwärts. Stundenlanges Warten lädt zu Gesprächen mit den Insassen umstehender Autos ein. Wir erfahren, dass viele Polen täglich die Grenze überqueren, um in Russland billig zu tanken. Sie verfügen über Sondergenehmigungen und werden schneller abgefertigt. Soviel zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz.

 

Auch der Respekt vor den russischen Grenzbeamten sinkt in der Gluthitze der Mittagszeit. Verschiedene Reisende trauen sich schließlich nachzufragen, warum es so unterschiedlich schnell (oder besser langsam) vorwärts geht. Das System entbehrt jeder Ordnung. Ein leitender Beamter winkt nach Gusto Autos zur Abfertigung. So erfahren wir auch, dass wir zur Einreise weitere Papiere ausfüllen müssen. Eine freundliche Mitreisende, eine Russlanddeutsche, besorgt uns selbige in Englisch. Standard ist Russisch. Auch alle Beamten sprechen nur Russisch.

 

Nach Stunden des Wartens dringen wir in den überdachten Abfertigungsbereich vor, der wenigstens im Schatten liegt. Unser Auto wird strengstens kontrolliert. Dann geht es zum Schalter, wo uns eine russische Beamtin wiederholt durch einen verspiegelten Schalter auf Russisch anbrüllt. Wir verstehen nicht, was sie will. Sie versteht unsere englischen Nachfragen nicht. Schließlich kommt sie hinter dem Schalter hervor und wirkt gleich weniger furchteinflössend. Sie korrigiert per Hand eine Angabe auf dem e-visum und scheucht uns davon.

 

Vom Abenteuer, ein Auto nach Russland zu importieren

 

Nun kommt der spannenste Teil der Einreise. Wir erfahren, dass wir unser Auto nach Russland importieren müssen. Das bedeutet: Weitere Formulare und weiteres Anstehen. Welche Angaben zu machen sind, findet man nach dem System "Trial and Error" heraus, was jeweils mit neuem Ausfüllen und weiterem Anstehen verbunden ist. Unsere Schlange braucht mehrfach so lange wie die neben uns. Anscheinend ist unser Ansprechpartner überfordert. Alle Angaben werden vom Formular fein säuberlich in den Computer übertragen - per Tastatur. Das dauert. Durch die unterschiedliche Bearbeitungsgeschwindigkeit ist manches Auto einreisebereit, während das davor stehende noch die Weiterfahrt versperrt. Ein permanentes Umparken verstärkt das herrschende Chaos. Aber schließlich ist es soweit. Wir können es kaum fassen, denn wir haben alle Papiere und die Schranke vor uns öffnet sich.

 

Die Strecke zwischen Grenzübergang und Kaliningrad Stadt ist gut ausgebaut. Zu sehen gibt es rechts der neuen Strasse noch die alte Autobahn, die von den Deutschen im Dritten Reich gebaut wurde. Sie dient als Standstreifen und Parkplatz. Die Natur holt sich das Bauwerk langsam, aber stetig zurück.

 

Endlich in Kaliningrad

 

Viel zu sehen gibt es in Kaliningrad selbst nicht, aber viel Geschichtliches zu lernen. Eine private Stadtführung ist empfehlenswert, wenn man kein Russisch spricht. Ansonsten findet man sich zu Fuss gut zurecht. Wir übernachten im Hostel und sind angenehm überrascht. Die Kommunikation funktioniert über die Sprachversion der Google Übersetzer App. In Cafés und Restaurants muss man sich mit Händen und Füssen behelfen, denn Englisch sprechen nur wenige. Auf Individualreisende ist man nicht eingestellt. Dennoch, Kaliningrad ist eine Reise wert!

 

Von Kaliningrad mit dem Auto nach Polen

 

Nach wenigen Tagen machen wir uns auf den Rückweg. Leider funktioniert auch die Ausreise nicht wirklich schneller. Auch hier ist ein permanentes Wechseln der Fahrspuren die Konsequenz eines undurchsichtigen Systems, wer wo abgefertigt werden kann und wo es einigermaßen vorangeht. Nach 4 Stunden überqueren wir die Grenze und verbringen des Rest unseres Urlaubes an der Ostseeküste.

 

Viele russische Bürger aus Kaliningrad stehen mit ihren großen SUVs stundenlang mit laufendem Motor in der Warteschlange. Interessant ist, dass russische Wagen an der russischen Grenze bevorzugt abgefertigt werden und zügig durchreisen. An der polnischen Grenze dagegen gibt es keinerlei bevorzugte Behandlung für EU-Bürger.

 

Fazit: Mit dem Auto nach Kaliningrad und die baltischen Staaten

 

Wer tatsächlich nach Kaliningrad möchte, dem sei das Abenteuer an der Grenze empfohlen. Je nach Reisetag und Andrang kann die Wartezeit kurz oder lang sein. Wer auf die Kurische Nehrung in Litauen oder weiter Richtung Lettland und Estland fährt, ist über den polnisch-litauische Grenze sicher nicht langsamer.

 

Wir haben 2018 einen Umweg von etwa drei Stunden in Kauf genommen, um Kaliningrad auf dem Weg nach Klaipeda zu umfahren. Ende 2018 ist ein letztes Teilstück der ausgebauten Verbindung in Polen eröffnet worden, so dass die Fahrtzeit kürzer ist.

 

Google Maps empfiehlt:

  • Berlin - Klaipeda in Litauen unter Umgehung von Kaliningrad: Fahrtzeit 12:00 Stunden
  • Berlin - Nida auf der Kurischen Nehrung in Litauen: 9 Stunden über Kaliningrad

Allerdings ohne Wartezeit bei

  1. der Einreise von Polen nach Russland und
  2. wieder von Russland nach Polen kurz vor Nida.
  • Berlin - Nida unter Umgehung von Kaliningrad: 13.5 Stunden

 

Wer das einfache Reisen in der EU gewöhnt ist, trifft am Grenzübergang zu Kaliningrad auf eine andere Welt. Eine Lebenserfahrung. Unser besonderer Dank gebührt den freundlichen Mitreisenden, die russisch sprachen, und uns tatkräftig unterstützt haben.

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